21.06.2022
Nachgefragt: Wirksamer Unterricht – Vom Wesen der Tiefenstrukturen
Prof. Dr. Benjamin Fauth (Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg) & Prof. Dr. Thorsten Bohl (Universität Tübingen)
Präsentation: Nachgefragt: Wirksamer Unterricht - Vom Wesen der Tiefenstrukturen (pdf1,1 MB)
Kommentar von Prof. Dr. Bohl (pdf 1,8 MB)
Praxisimpuls: Eva Künzler (Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte (GS) Heilbronn)
Zum Weiterlesen:
IBBW
Wirksamer Unterricht - Band 1: Trautwein/Sliwka/Dehmel (2022): Grundlagen für einen wirksamen Unterricht (2. aktualisierte Auflage)
(pdf)
Kurzbericht
Ca. 170 Personen nahmen an dem kontroversen und anregenden Austausch über die Tiefenstrukturen des Unterrichts teil.
Nach einer Abgrenzung der Tiefenstrukturen von den Sichtstrukturen des Unterrichts, ging es Prof. Dr. Fauth darum zu zeigen, wie sich die
Tiefenstrukturen charakterisieren lassen. Dabei bot er den Teilnehmenden vier Aussagen an, zu denen sie sich überlegen sollten,
inwieweit sie zutreffen:
- Jene Aspekte des Unterrichts, die man nicht beobachten kann
- Das, was sich während des Unterrichts in den Köpfen der Schüler/innen abspielt
- Die nicht-fachlichen (also generischen) Aspekte der Unterrichtsqualität
- Die drei „Basisdimensionen“ kognitive Aktivierung, konstruktive Unterstützung, strukturierte Klassenführung
In seiner differenzierenden Stellungnahme zu den Aussagen wurde deutlich, dass
- geeignete Instrumente Tiefenstrukturen sichtbar und empirisch fassbar machen können (vgl. UFB);
- unterrichtliche Tiefenstrukturen ein Setting und ein Angebot für die Nutzung zu Verstehen und Sinnstiftung sind;
- das Auftreten von Sichtstrukturen, wie bestimmte Methoden, Sozialformen, Leistungsrückmeldungen und Medien nicht vorhersagen kann, ob und welche tiefenstrukturelle Prozesse angeregt werden;
- es nicht nur generische, sondern auch fachdidaktische Aspekte in der Beachtung und Beobachtung von Tiefenstrukturen gibt, die bei den Basisdimensionen beachtet werden müssen.
Prof. Dr. Bohl, dem die Rolle eines kritischen Kommentators zukam, lobte zunächst den bisher erreichten Fortschritt bei der
Entwicklung eines konzeptuellen Rahmens zur Unterrichtsqualität, der durch das unverzichtbare Konstrukt der Tiefenstrukturen und die
Erarbeitung eines forschungsbasierten Beobachtungsinstruments entstehe.
Im Anschluss wies er auf offene Fragen hin, die seiner Meinung nach weiter diskutiert werden müssten und die er in der Veranstaltung auch zur Diskussion anbot. Zusammenfassend ging es um Aspekte, die Prof. Dr. Bohl für die Weiterentwicklung des konzeptuellen Rahmens zur Unterrichtsqualität für notwendig erachtet, um der Komplexität von Unterrichtsgeschehen zunehmend gerechter werden zu können, wie z.B.
- das zugrundeliegende theoretische Verständnis von Unterricht;
- noch nicht beleuchteten Beobachtungsgegenstände und Einflüsse (z.B. soziale Ebene im Unterricht mit dem Fokus auf die Lernenden, Lehrkräftekompetenz);
- Rolle und Kompetenz der Beobachtenden von unterrichtlichen Tiefenstrukturen mit Instrumenten wie dem UFB;
- Umgang mit der unterschiedlichen Bedeutung und Wirkung der Basisdimensionen für nicht-kognitive Unterrichtsziele;
- Erweiterung der Komplexität des Angebot-Nutzung-Modells;
- Folgen der Rückmeldung durch die Unterrichtsbeobachtung;
- Verbindung mit (fach-)didaktischen Konzepten.
Frau Künzler brachte danach ihre Fragen an das Konstrukt der Tiefenstrukturen in den Austausch ein, die noch einmal deutlich machten, dass fachdidaktische Perspektiven und die Planung und Beobachtbarkeit der tatsächlichen Erreichung der Tiefenstrukturen noch Herausforderungen besonders im differenzierenden Unterricht darstellen.
In der Diskussion wurden folgende Punkte aufgegriffen:
- die Bedeutung von Üben und Automatisieren, die nicht auf Tiefenstrukturen abzielen, aber Grundlage für eine nachfolgende kognitive Aktivierung notwendig sind;
- die Rolle der „bescheidenen“ Beobachtenden und der Umgang mit dem ausgefüllten UFB im anschließenden Gespräch;
- Herausforderungen und Möglichkeiten, wie und ob beobachtet werden kann, dass Ziele nicht nur bei einzelnen Lernenden, sondern bezogen auf die ganze Klasse erreicht worden sind;
- die wichtige Rolle der fachdidaktischen Perspektive bei der Beobachtung von Unterricht und bei der Beteiligung für die Weiterentwicklung des Modells.
Seitens des IBBW wurden sowohl mit Frau Künzler als auch mit Prof. Bohl ein weiterer Austausch zu den in der Veranstaltung aufgeworfenen Themen vereinbart.