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26.09.2024

Regional – passend – vernetzt: Bildungsregionen als Verantwortungsgemeinschaft von Land und Kommunen

Dr. Anika Duveneck und viele weitere

Vortrag Unterschätzte Schätze – Erfahrungen und Kompetenzen der kommunalen Ebene für das Startchancen-Programm (pdf) von Dr. Anika Duveneck, Freie Universität Berlin

Vortrag Ein Blick nach Baden-Württemberg: Bildungsregionen als Koordinations- und Netzwerkstruktur für Stadt- und Landkreise (pdf 1,3 MB) von Dr. Susanne Zeller, Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg

Fokusangebot 1 Bildungsregion Stuttgart: Fachkräfte-Tandem Zuffenhausen – Verbesserung der Bildungs- und Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Sozialunterkünfte (pdf) von Theoklis Chimonidis, Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft

Fokusangebot 2 Bildungsregion Landkreis Biberach: Individuelle Mentoring-Programme von Grundschule bis zu den Abschlussklassen und deren Überführung in das Programm „Lernen mit Rückenwind“ (pdf) von Katharina Jehle und Daniel Horst, Regionales Bildungsbüro Landkreis Biberach

Fokusangebot 3 Bildungsregion Schwarzwald-Baar-Kreis: Verantwortungsgemeinschaft an zwei Beispielen: „Schülerinnen und Schüler der beruflichen Schulen in problematischen Lebenslagen“ und „Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler“ (pdf 1,2 MB) von Andreas Meßmer, Regionales Bildungsbüro Schwarzwald-Baar-Kreis

Fokusangebot 4 Bildungsregion Heilbronn: Schnittstellen zwischen strategischer Stadtentwicklung und kooperativer Lehrkräftebildung: Einblicke in das Heilbronner Konzept zur durchgängigen Sprachförderung von Julia Speidel, Stadt Heilbronn, Sachgebietsleitung Bildung, Wissen, schulischer Ganztag und Clara Rein, Projektmanagerin Siegel „Sprachsensible Schule“

Nutzungsrechte aller Materialien gemäß CC BY-NC-ND 4.0

Kurzbericht Impulse und Diskussion

Frau Dr. Duveneck skizzierte in ihrem Vortrag zunächst das Konzept und die Programmatik der kommunalen Bildungslandschaften. Diese setzen an den fragmentierten Zuständigkeiten im Bildungsbereich an („Operative Inseln“) und zielen darauf ab, vor Ort passende Netzwerk- und Koordinationsstrukturen entlang der wesentlichen Schnittstellen und Übergänge in der Bildungsbiografie aufzubauen. Die wissenschaftliche Forschung zu den bisherigen Erfahrungen in der kommunalen Umsetzungspraxis der letzten ca. 15 bis 20 Jahren zeigt auf, dass mit der Idee der Bildungslandschaften der ersten Generation sehr hohe Erwartungen verbunden waren, deren Grundlage jedoch teilweise unterkomplexe Vorstellungen von Zusammenarbeit bildeten. Durch die Reflexion und das kritische Hinterfragen der eigenen Wirkannahmen kann jedoch ein realistischeres Erwartungsmanagement aufgebaut werden, das der Komplexität multiperspektivischer und multiprofessioneller Zusammenarbeit und dem Eigensinn und der Eigendynamik der Prozessbeteiligten eher gerecht wird. In diesem Sinne ermöglichen Bildungslandschaften zunächst einmal gegenseitige Lern- und Verständnisprozesse sowohl übereinander als auch über die gemeinsamen Themen, die dann eine wichtige Grundlage dafür bilden, dass auf der Ebene der Kinder und Jugendlichen und ihren Familien „etwas ankommt“.

Auf diesen Überlegungen aufbauend zeigte Frau Dr. Duveneck die inhaltlichen Parallelen zwischen den kommunalen Bildungslandschaften und dem Startchancen-Programm auf. Beide Ansätze zielen darauf ab, zu mehr Bildungsgerechtigkeit beizutragen und sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche vor Ort in ihren Sozialräumen passgenauer zu fördern und zu unterstützen. Dazu nehmen beide Ansätze die verschiedenen Ebenen, Bereiche und Akteursgruppen in den Blick, die am Bildungsgeschehen beteiligt sind. Ein abgestimmteres und anschlussfähigeres Zusammenwirken der verschiedenen Teilsysteme soll einen ganzheitlicheren Blick ermöglichen und dazu beitragen, dass sich die verschiedenen Fachexpertisen gegenseitig ergänzen. Frau Dr. Duveneck problematisierte in diesem Zusammenhang die in der bisher erfolgten konzeptionellen Vorarbeit zum Startchancen-Programm eher geringe Einbindung von Kommunen und ihrer Kooperationsexpertise in das Startchancen-Programm bzw. die vorgesehenen Unterstützungssysteme. Auf kommunaler Ebene gibt es inzwischen langjährige Erfahrungen in der Gestaltung multiprofessioneller, ressort- und ebenenübergreifender Zusammenarbeit in der Bildung. Im kommunalen Bildungsmanagement sind im Verlauf der letzten ca. 15 bis 20 Jahre professionelle Strukturen und Kompetenzen entstanden, die als bereits vorhandene Potenziale auch für das Startchancen-Programm nutzbar gemacht werden könnten. 

Frau Dr. Zeller knüpfte in ihrem Vortrag an diese Überlegungen an. Sie stellte zunächst das Landesprogramm Bildungsregionen als die baden-württembergische Umsetzungsvariante der Bildungslandschaften-Idee vor, um dann den Blick auf inhaltliche und regionale Anknüpfungspunkte zum Startchancen-Programm zu richten. Das von Land (Kultusministerium) und kommunaler Seite (Stadt- und Landkreise) gemeinsam getragene und finanzierte Strukturprogramm blick inzwischen auf eine über 15-jährige Entwicklung zurück und zeichnet sich durch eine schlanke und nachhaltige Programmstruktur mit einer hohen regionalen Umsetzungsvariabilität aus. In einer Verantwortungsgemeinschaft von Land und Kommunen greifen die Bildungsregionen regionalspezifische Bedarfe und Bedingungen auf, setzen jeweils eigene inhaltliche Schwerpunkte und bieten geeignete Strukturen, um gemeinsam regional passende Antworten auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu finden. Die im kommunalen Kontext gewachsenen Strukturen helfen aber auch dabei, landespolitische Vorhaben wie z. B. aktuell auch das Startchancen-Programm regional passend umzusetzen. Für das Gelingen vor Ort wird eine frühzeitige Einbindung und Abstimmung zwischen Schulträger, Schulaufsicht, Schulen, Jugendhilfe und Gemeinwesen als wesentlich erachtet. Inhaltliche Anknüpfungspunkte zwischen den Bildungsregionen und dem Startchancen-Programm sind u. a. die bereits seit vielen Jahren existierenden zusätzlichen kommunale Förderangebote für benachteiligte Kinder und Jugendliche in sozialstrukturell besonders belasteten Sozialräumen, individuelle Begleitung von Kindern und Jugendlichen durch Patenschafts- und Mentoringprogramme oder ergänzende außerschulische Lernunterstützung (z. B. auch in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften). Frau Dr. Zeller skizzierte in ihrem Vortrag die kommunale Expertise z. B. in Form kleinräumigen Wissens über die örtliche Schul- und Bildungslandschaft, die Sozialräume und die Bedarfe aus der Praxis, in Form gemeinsam geteilter übergreifender Zielsetzungen und des Denkens in Gesamtgefügen sowie in Form von regional vorliegenden Erfahrungen mit multiprofessionellen Fortbildungen. Vor diesem Hintergrund entwarf sie ein Bild davon, welche Rollen und Aufgaben die Bildungsregionen im Startchancen-Programm künftig möglicherweise übernehmen könnten. Wie sich dies in der Praxis in den nächsten Jahren tatsächlich entwickeln wird, hängt sowohl von regionalspezifischen Schwerpunktsetzungen, Handlungsmöglichkeiten und Ressourcen als auch von noch zu klärenden offenen Fragen im Kontext des Startchancen-Programms ab.

Die parallelen Fokusangebote richteten den Blick auf ausgewählte Beispiele der kommunalen Praxis und zeigten anschaulich auf, wie die in den beiden Vorträgen skizzierte Verantwortungsgemeinschaft der Prozessbeteiligten vor Ort mit Leben gefüllt wird.

Fokusangebot 1: Am Beispiel der Fachkräftetandems in Stuttgart-Zuffenhausen zeigte der Beitrag auf, wie eine sozialraumorientierte Verantwortungsgemeinschaft in der Praxis gelingen kann. Mit ihrem milieu-, kultur- und sprachsensiblen Ansatz unterstützen die Fachkräftetandems die Familien, die in Sozialunterkünften in prekären Lebenszusammenhängen leben, ganz individuell in ihren Problemlagen. Jeweils eine Fachkraft nimmt dabei dir Kinder in den Blick, während die andere Fachkraft die Eltern unterstützt. Die Fachkräftetandems sind dabei eng an die bestehenden Hilfesysteme in den jeweiligen Stadtbezirken angebunden.

Fokusangebot 2: Am Beispiel von Patenschafts- und Mentoringprogrammen, die ursprünglich vom Landkreis Biberach entwickelt und später in „Lernen mit Rückenwind“ überführt wurden, diskutierte der Beitrag die Möglichkeiten, Chancen und Risiken des Zusammendenkens von kommunalen Strukturen und Landesstrukturen. Kinder, denen grundlegende schulische und soziale Kompetenzen fehlen, erhalten in Absprache mit Elternhaus und Schule und entlang eines individuellen Förderplans eine kontinuierliche, individuelle und lebensnahe Begleitung durch ehrenamtliche Patinnen und Paten. Dadurch werden sie in ihrer Persönlichkeitsbildung und ihrer sozial-emotionalen Entwicklung ebenso gestärkt werden wie im Hinblick auf ihren schulischen Erfolg und den Übergang in eine berufliche Ausbildung. Als Gelingensfaktor für erfolgreiches Mentoring wurde insbesondere der hohe Stellenwert eines persönlichen Erstgesprächs mit potentiellen Patinnen und Paten betont, das zu einem adäquaten Matching entscheidend beiträgt.

Fokusangebot 3: Anhand zweier Beispiele („Schülerinnen und Schüler der beruflichen Schulen in problematischen Lebenslagen“ und „Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler“) wurde deutlich, an welchen konkreten Problemstellungen aus der Praxis (z. B. multiple Benachteiligungskonstellationen, psychische Belastungen von Schülerinnen und Schülern) die Verantwortungsgemeinschaft der beteiligten Akteurinnen und Akteure ansetzt und welche Lösungsansätze gemeinsam erarbeitet wurden, um spürbare Verbesserungen für die jungen Menschen vor Ort zu erreichen. Wichtige Faktoren sind etwa ein gemeinsames Problembewusstsein und gut funktionierende Kommunikationsstrukturen. In der Diskussion ergab sich noch die Frage, inwieweit die verschiedenen Schulformen von bestimmten Problemlagen unterschiedlich stark betroffen sind und wie sich dies auf deren Einbindung in die Aktivitäten der Bildungsregionen auswirkt. Es zeigte sich auch ein weiterer Austauschbedarf im Bereich des Bildungsgangs AVdual und der Schnittstelle zu den sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren.

Fokusangebot 4: Am Beispiel des Heilbronner Sprachförderkonzeptes wurden die Potenziale einer engen Kooperation zwischen der Stadt und dem Land (Schulaufsicht, Lehrkräfteaus- und -fortbildung) deutlich. Das Konzept setzt bewusst auf Durchgängigkeit und den Aufbau nachhaltiger Strukturen jenseits von der Förderung einzelner Projekte. Neben verschiedenen Bausteinen einer integrierten Sprachförderung der Schülerinnen und Schüler setzt das Konzept auch auf die fachliche Qualifizierung der Fach- und Lehrkräfte und die konsequente Förderung und Wertschätzung der Erstsprachen die Kinder und Jugendlichen.

Links
Landesprogramm Bildungsregionen: www.bildungsregionen-bw.de



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