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03.07.2024

Sprachenvielfalt leben: Mehrsprachigkeit als Ressource im Schulalltag (Jun.-Prof.‘in Dr. Simone Plöger)

Jun.-Prof.‘in Dr. Simone Plöger und Heidi Sumann

Vortrag Sprachenvielfalt leben: Mehrsprachigkeit als Ressource im Schulalltag (pdf)

Zum Weiterlesen: 
Plöger, S., & Fürstenau, S. (2024): Mehrsprachigkeit. Reihe „Wirksamer Unterricht“, Band 10. Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg

Nutzungsrechte aller Materialien gemäß CC BY-NC-ND 4.0

Kurzbericht
Frau Plöger stellte zuerst die theoretischen Grundlagen zum Thema Mehrsprachigkeit und deren Umsetzung im Unterricht vor. Sie ging zunächst auf das Verständnis von Mehrsprachigkeit ein. Dabei sei die Vorstellung von Mehrsprachigkeit als ausgeglichene Waage (als „doppelte Einsprachigkeit“), in der man beide Sprachen gut beherrsche, nicht zutreffend. Stattdessen sei Mehrsprachigkeit immer kontextspezifisch und in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedlich stark ausgeprägt.  Frau Plöger erläuterte, dass es auch eine innersprachliche Mehrsprachlichkeit gebe (z.B. Umgangssprache, Sozio- und Dialekte etc.) und somit eigentlich alle Menschen mehrsprachig seien. Bezüglich der Verbreitung von Mehrsprachigkeit verweist sie auf s Daten aus Hamburg, aus denen ersichtlich werde, dass vielen Familien in Gesamt-Deutschland mehrsprachig seien. Studien zeigten, dass es für das Lernen wertvoll sei, Mehrsprachigkeit im Unterricht aufzugreifen und sie für den lernwirksamen Unterricht eingesetzt werden sollte. 

Wie dieser Einsatz der Mehrsprachigkeit für den lernwirksamen Unterricht konkret aussehen kann, veranschaulichte Frau Plöger an den drei Basisdimensionen lernwirksamen Unterrichts (kognitive Aktivierung, konstruktive Unterstützung und Klassenführung). Hierfür gab sie pro Basisdimension ein paar Beispiele. 

Diese Aspekte wurden von Frau Sumann mit ihrer praktischen Erfahrung der Einbettung der Mehrsprachigkeit im Unterricht als Schulleiterin und Lehrerin an einer mehrsprachigen Schule in NRW aufgegriffen. Ihre Schule nahm am Schulentwicklungsprojekt „MIKS“ zur Förderung von Mehrsprachigkeit an Grundschulen teil. 

Zu Fragen des Einstiegs in das Thema Mehrsprachigkeit und dessen Akzeptanz bei Kollegium, Eltern und Kindern machte Frau Sumann deutlich, dass es trotz vorheriger erfolgreicher Umsetzung des Rucksack-Projekts (Sprachförderprojekt mit Einbeziehung der Eltern) überzeugende wissenschaftliche Argumente brauchte. Die Kinder hätten den Einbezug ihrer Sprachen sehr gut aufgenommen. Und letztendlich sei deren Begeisterung und verbesserter Erfolg im Unterricht das beste Argument gewesen. Sie gab allerdings zu bedenken, dass die erlebten Verbesserungen nicht immer die seien, die bei Leistungsstudien im Vordergrund stünden. Heute stehe die Mehrsprachigkeit an der Schule nicht mehr zur Diskussion und werde von allen gelebt.

Auf Fragen zur praktischen Umsetzung im Unterricht und im Schulleben zeigte die Schulleiterin, dass das Mehrsprachigkeitsprojekt zunächst dazu geführt habe, die Aktivitäten als Sprachbildung zu verstehen und weniger als Sprachförderung. Da alle Kinder Deutsch in Form von Bildungssprache lernen müssten, ist das Sprachenlernen ein gemeinsamer Prozess, der keinen Unterschied zwischen unterschiedlichen sprachlichen Kompetenzen und Sprachen mache. Konkret seien im Unterricht viele kleinere Sprachprojekte entstanden. Auch sei z.B. mit zweisprachiger Literatur gearbeitet worden. Mehrsprachige Materialien und differenziertes Unterrichtsmaterial seien erarbeitet worden. Unterstützung habe es durch Eltern und externe Personen gegeben, die mit Übersetzungen oder als Hilfen bei der Kommunikation mitgearbeitet hätten.

Zu Fragen der Nachhaltigkeit, legte Frau Sumann dar, dass es spezielle Beauftragte gebe, z.B. Fachbeauftragte der einzelnen Fächer, eine Arbeitsgruppe zum Thema Mehrsprachigkeit und die Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit in den Arbeits- und Unterrichtsplänen. Diese Strukturen und vorhandenen Materialien seien auch dafür verantwortlich, dass die Kinder der Fluchtwelle 2015 und die zahlreichen ukrainischen Kinder gut aufgenommen wurden und sich schnell integrieren konnten. Gerade aber die Ressourcen, die zusätzlich für die ukrainischen Schülerinnen und Schüler vergeben wurden, seien sehr hilfreich gewesen. Überhaupt sei die Ressource Zeit neben einer kleinen Klassengröße der wichtigste Gelingensfaktor für die individuelle Begleitung.

Themen in der Diskussion: 

  • Verwendung von KI-Tools im mehrsprachigen Unterricht
  • Konkrete persönliche Beispiele der Verwendung anderer Sprachen im Unterricht und positive Effekte dieser sowie konkrete Beispiele von mehrsprachigen Unterrichtsmaterialien
  • Umgang mit der Mehrsprachigkeit bezüglich sprachsensibler Prüfungen
  • Möglichkeiten des Einsatzes von Mehrsprachigkeit im Grundschulalter sowie bei älteren Kindern/Sekundarschülerinnen und -schülern
  • Unterstützung des Einsatzes von Mehrsprachigkeit im Unterricht durch Eltern sowie Bildungsgespräche mit Eltern '
  • Ziel des mehrsprachigen Unterrichts: anderes Verständnis von Sprache und Lernen, nicht bessere Vergleichsarbeiten
  • Wunsch nach Sprachbildungsstunden, besseren Ressourcen, anderer Organisation für den Einsatz von Mehrsprachigkeit im Unterricht
  • Fehlendes Prüfinstrument, um den Erfolg von Mehrsprachigkeit im Unterricht nachzuweisen
  • Sprachförderung bereits im Kindergarten als eine Lösung, um Kinder besser auf das Deutschlernen in der Schule vorzubereiten
  • Problem der Freiwilligkeit des mehrsprachigen Unterrichts und irrtümliche Einstellungen der Lehrkräfte
  • Möglichkeiten, Vorteile von Mehrsprachigkeit für alle Menschen darzustellen (z.B. psycholinguistische Studien, analytischer Blick auf Sprache, …)
  • Notwendigkeit des Einbauens von Mehrsprachigkeit in Bildungspläne und Lehrbücher und systematischer Integration von Sprachförderung in der Schule

Hinweise und Links aus dem Chat: 
IBBW-Wissenschaft im Dialog vom 19.10.2023 – „Durchgängige Sprachbildung ist Empowerment - nichts weniger!“

Kalkavan-Aydın, Z., & Balzer, J. (2022): Sprachsensibler Fachunterricht (pdf). Reihe „Wirksamer Unterricht“, Band 8. Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg.

Fortbildung Primarstufe: Sprachförderung und Mehrsprachigkeit, Anmeldung bis 23.07.2024 

Bildungsregionen in Baden-Württemberg sind im Bereich Mehrsprachigkeit aktiv: Beispiele finden sich in den Themenlandkarten "Integration durch Bildung" und "Sprachbildung" 

Zum herkunftssprachlichen Unterricht in NRW

Programm und Wettbewerb der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS): Schülerinnen und Schüler aller Schultypen ab der siebten Klasse, die Deutsch und eine weitere Sprache sprechen, sind eingeladen teilzunehmen: Sie treten mit zweisprachigen Reden an, in denen sie zwischen Deutsch und einer weiteren Sprache wechseln. Sie finden mehr Informationen unter Mehr Sprachen – mehr WIR | DKJS | Deutsche Kinder- und Jugendstiftung für Bildungserfolg und Teilhabe.

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