Auf dem Weg zur inklusiven beruflichen Schule / Umgang mit Heterogenität - inklusivBS

Um Inklusion und Individuelle Förderung an beruflichen Schulen systematisch voranzubringen, hat das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg das Projekt „Auf dem Weg zur inklusiven beruflichen Schule / Umgang mit Heterogenität (inklusivBS)“ initiiert. Ziel ist es, berufliche Schulen bei der Gestaltung inklusiver Schulentwicklungsprozesse zu unterstützen. Das IBBW wurde mit der wissenschaftlichen Begleitung des Projekts beauftragt

Straße mit Straßenschild  mit der Aufschrift inklusivBS

Zielsetzung und Fragestellung

Im Sinne eines erweiterten Inklusionsbegriffs bedeutet Inklusion in der beruflichen Bildung, dass alle jungen Menschen – unabhängig von Förderbedarf, Benachteiligung oder Behinderung – bestmögliche Chancen auf Bildung, berufliche Integration und gesellschaftliche Teilhabe erhalten. Zentrales Prinzip ist dabei die Individuelle Förderung, die nicht allein auf sonderpädagogische Unterstützung beschränkt ist, sondern ein breites Spektrum an Heterogenitätsdimensionen berücksichtigt. Dazu gehören unter anderem Unterschiede in Geschlecht, Sprache, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen, Leistungspotenzialen, Interessen und kulturellen Hintergründen. Die Unterrichtsgestaltung orientiert sich konsequent an den jeweiligen Bedarfen der Schülerinnen und Schüler, um gemeinsame Lernprozesse zu ermöglichen und Vielfalt als Ressource zu nutzen.

Der Weg zur inklusiven beruflichen Schule ist jedoch komplex und erfordert gezielte Schulentwicklungsprozesse in unterschiedlichen Bereichen. Auf Basis bereits bestehender Ansätze wurden fünf Qualitätsdimensionen definiert, die den Rahmen für eine ganzheitliche Betrachtung des Themas bilden (Abbildung 1).

Darstellung der 5 Qualitätsdimensionen des Projekts „inklusivBS“

Abbildung 1: Qualitätsdimensionen des Projekts „inklusivBS“

  • Kontakt

Dr. Andreas Harder
0711 6642 4309
E-Mail

Dr. Alexandra Dehmel
0711 6642 4300
E-Mail

Im Mittelpunkt des Projektvorhabens steht die gezielte Begleitung und Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen sollen im Rahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung systematisch in einem schulischen Gesamtkonzept verzahnt werden. Die Berücksichtigung der Qualitätsdimensionen ermöglicht es Schulen, Inklusion systematisch zu verankern und ein Lernumfeld zu schaffen, in dem alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen gefördert, beteiligt und wertgeschätzt werden.

Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts begann mit einer Studie der PH Heidelberg, die an den sechs Pilotschulen durchgeführt wurde. Dabei standen die Einstellungen der Lehrkräfte zur Inklusion, ihr Professionswissen im Umgang mit Heterogenität sowie die erlebte soziale Inklusion der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt.

Darüber hinaus wurde das IBBW mit der weiterführenden wissenschaftlichen Begleitung des Projekts beauftragt. Der Fokus liegt darauf, eine Schulentwicklungsperspektive einzunehmen und die verschiedenen schulischen Akteurinnen und Akteure innerhalb der Schule einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund lassen sich für die Evaluation drei zentrale Fragestellungen ableiten:

  1. Welche Gelingensbedingungen und Hürden bestehen bei der Umsetzung inklusiver Schulentwicklungsprozesse?
  2. Wie nehmen schulische Akteurinnen und Akteure die inner- und außerschulischen Unterstützungsstrukturen wahr?
  3. Wie sind verschiedene inklusive schulische Merkmale, wie beispielsweise eine inklusive Schulkultur oder entsprechende Kollaborations- und Kooperationsstrukturen, in den Projektschulen ausgeprägt?

Methodisches Vorgehen & Siegelvergabeverfahren

Zur Beantwortung der Fragestellungen ist ein Mixed-Methods-Design vorgesehen, das quantitative Online-Befragungen mit qualitativen Interviews kombiniert. Dabei werden die Perspektiven verschiedener schulischer Akteurinnen und Akteure – etwa der Schulleitung, der Lehrkräfte und des Sonderpädagogischen Dienstes – berücksichtigt. Zudem ist es notwendig, die aktuelle Phase der Schule bei der Initiierung und Umsetzung inklusiver Schulentwicklungsprozesse zu beachten (Berücksichtigung der verschiedenen Tranchen). Erste Datenerhebungen sind für das Schuljahr 2025/2026 geplant.

Neben der Evaluation des Projekts wird aktuell ein Siegelvergabeverfahren konzipiert, das Entwicklungen in den Bereichen Inklusion und Individuelle Förderung an den teilnehmenden Schulen sichtbar macht und anerkennt. Mit dem geplanten Verfahren soll ein landesweites Netzwerk inklusiver beruflicher Schulen entstehen, um das Thema nachhaltig in der Bildungslandschaft Baden-Württembergs zu verankern. Orientierung für die zukünftige Siegelvergabe bilden dabei die fünf Qualitätsdimensionen (Abbildung 1).

Wissenschaftstransfer

Auf Basis des angestrebten Mixed-Methods-Designs und der vorgesehenen multiperspektivischen Herangehensweise sollen im Rahmen der Projektevaluation Erkenntnisse gewonnen werden, die dazu beitragen, Gelingensbedingungen zu stärken, Hürden abzubauen und Unterstützungsstrukturen zu optimieren. Gleichzeitig sollen diese Erkenntnisse auch für zukünftige Projekte und Innovationsvorhaben nutzbar gemacht werden.

Darüber hinaus ist geplant, die Ergebnisse sowohl in wissenschaftlichen als auch in praxisorientierten Publikationen zu veröffentlichen und sie auf entsprechenden Fachtagungen vorzustellen, um sie der wissenschaftlichen und pädagogischen Community zugänglich zu machen und den Transfer in die schulische Praxis direkt zu unterstützen.

Projektbeteiligte

Das Projekt wird federführend vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg gesteuert und startete im Schuljahr 2023/24 an den ersten sechs Pilotschulen mit der Entwicklung eines pädagogischen Konzepts. Nach dem Beitritt von 11 weiteren Schulen im darauffolgenden Schuljahr schließen sich im Schuljahr 2025/26 nochmals 12 neue Schulen an – damit umfasst das Projekt inzwischen 29 berufliche Schulen.

Im ersten Projektjahr werden die schulischen inklusivBS-Teams, bestehend aus drei bis fünf Personen, in mehreren Workshops begleitet. Diese Workshops werden in erster Linie vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) organisiert und unterstützen die Schulen bei der Erstellung eines pädagogischen Konzepts zu Inklusion und Individueller Förderung. In den Folgejahren liegt der Schwerpunkt darauf, das Konzept in der Praxis umzusetzen. Auch in dieser Phase stehen den Schulen unterschiedliche Unterstützungsangebote zur Verfügung. Ziel ist es, dass die entwickelten Konzepte vollständig und nachhaltig in den Schulalltag integriert und umgesetzt werden.